Entscheidung am Nunatak
Erstbegehungsversuch an der Südwand des Tae...
Praktisch über den Dächern von Cortina d' Ampezzo thront die etwa 400 Meter hohe Südwand des Tae. Bereits seit dem Winter geisterte in Gerrys Kopf ein Bild von dieser ganz besonderen Wand herum. Ich kenne diese Situation genau, das Bild geistert so lange herum, bis man endlich am Einstieg steht. Am Montag, den 5. Juli war es dann soweit. Gerry Fiegl und ich marschieren zum Wandfuss der etwa 1 km breiten Wand aus nahezu perfektem Kalkgestein. Nur 5 Routen ziehen durch diese markante Wand, erst zwei davon sind in freier Kletterei bezwungen worden. Wir fragen uns, warum? So nahe bei Cortina gelegen und so ein Hammer-Fels mit nur 5 Routen? Die Antwort darauf erhalten wir 2 Tage später. Gerry beginnt mit der ersten Seillänge, dabei verfolgt er unser Ziel, mit möglichst wenig Bohrhaken auszukommen, peinlich genau. Im Bereich 7c/up ohne Bolts (ausser einem am Stand) ist bereits in der ersten Seillänge die Richtung für unser Unternehmen vorgegeben. Wir arbeiten uns mühevoll bis zur Schlusswand vor, doch in der 9. Seillänge ist alles aus. Weit und breit ist kein Griff mehr zu sehen, die Wand ist im Umkreis von 20 Metern völlig glatt. Jetzt wird uns erst richtig bewusst, was ein Nunatak ist - der Tae ist ein von Gletscher geschliffener Felsriegel, im wahrsten Sinne des Wortes. Auch bewusst wird uns, warum es nur 5 Routen an dieser Wand gibt! Etwas enttäuscht entschließen wir uns zum Rückzug. Uns bleibt jedoch die Errinnerung an ein richtig grosses Abenteuer mit der Chance auf eine ganz große Linie..