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Japanisches Eis

Die japanischen Alpen sind für Skibegeisterte ein heiß begehrtes Ziel. Unmengen an Pulverschnee und tiefe Temperaturen prägen den Winter in Hokkaido, der nördlichsten Insel Japans. Dass sich diese Insel auch zum Eisklettern eignen könnte, liegt eigentlich auf der Hand. Allerdings gibt es in Europa so gut wie keine Informationen über japanisches Eis. Eine Reise in ein Land, in dem man sich so gut wie nicht verständigen kann, in dem der tägliche Alltag vollkommen verschieden von unserem abläuft, bei der man auch noch nach kletterbarem Eis sucht, stellt ein wirkliches Abenteuer dar. Am Ende der heurigen Eisklettersaison wollten wir - Markus Bendler, Hermann Erber und ich - uns diesem Abenteuer der besonderen Art stellen.

Eine Reise ins Ungewisse

Eines wurde mir bei den langwierigen Vorbereitungen zu dieser Reise bald bewusst: In Japan ist man ohne die Hilfe eines japanisch Sprechenden und mit der japanischen Kultur Vertrauten vollkommen verloren. Also versuchte ich den Kontakt zu einheimischen Kletterern herzustellen und um Hilfe zu bitten. Dies war nicht ganz einfach, denn es gibt nur wenige Eiskletterer in Hokkaido und die meisten Japaner sprechen kein Wort Englisch. Es liegt auch nicht in der japanischen Mentalität, auf eine Frage bloß mit einem „das weiß ich nicht“ zu antworten. Es dauerte über zwei Monate, bis wir knapp eine Hand voll Kletterer gefunden hatten, die unsere Fragen überhaupt verstanden. Mit wenig Vorwissen, was uns dort wirklich erwarten würde, starteten wir am 26. Februar in Richtung Sapporo.

Mit den überaus gastfreundlichen Locals wird geplant

Dort angekommen mussten wir nicht nur einmal über die vollkommen konträre Welt Japans schmunzeln. Als wir unseren RAV4 bei der Vermietung abholten, sorgten wir das erste Mal für Aufsehen. Die Dame an der Vermietung traute ihren Augen nicht, als sie bemerkte, dass wir kein Wort Japanisch sprachen und das Lenkrad sich bei uns auf der anderen Seite befindet. Bereits am Flughafen holte uns Sebastian Nault ab, der uns stets zur Seite stand damit wir uns zurechtfanden. Am nächsten Tag lud er die gesamte einheimische Kletterszene in seine Wohnung ein. Wir berichteten bei einem spontanen Diavortrag über unsere bisherigen Abenteuer und bei Sushi und Bier planten wir gemeinsam mit den überaus gastfreundlichen Locals unsere Zeit auf der Insel. Auch in Hokkaido neigte sich die Saison dem Ende zu, auch wenn wir bei unserer Ankunft bei einem mächtigen Schneesturm nur wenig davon merkten. Wir wollten zuerst an die küstennahen Spots, um bei einem Wärmeeinbruch in das deutlich kältere Landesinnere wechseln zu können.

Gelungener Start – Erstbegehung von „Lector“ WI7

Als erstes Kletterziel wählen wir den Küstenspot Raiden. Direkt am Meer kletterten wir die beiden Wasserfälle „Nairu“ WI6 und „Runzee III“ WI5. Die salzhaltige Luft wirkte beruhigend auf meine immer noch vorhandene Erkältung, ebenso beruhigte mich die Tatsache, dass wir schon in den ersten Tagen Spaß im anspruchsvollen, japanischen Eis hatten. Für das Wochenende wollte Genki Narumi, einer der japanischen Eisfreaks, mit uns klettern. Er zeigte uns das Mixedgebiet in Chiyosubetu. Hier finden sich die schwersten Mixedrouten Japans im Bereich bis M9+. Doch bereits am Weg zum Gebiet fiel uns eine mächtige Eisformation inmitten der Mixedrouten auf. Bei näherem Betrachten beschlossen wir, die Mixedrouten erst einmal ruhen zu lassen. Wir wollten dem Eisriesen mit einem gigantischen, natürlichen Eisdach am Ausstieg einen Besuch abstatten. Die dritte Seillänge trotzte mit unglaublich steilem Eis, wir mussten hart um den Rotpunktdurchstieg kämpfen. Da uns die Formation eine Lektion in Sachen Wasserfallklettern erteilte, tauften wir die Route „Lector“ mit der Bewertung WI7.

Sounkyo – das Eiskletterzentrum Hokkaidos

Nach diesen ersten intensiven Tagen entspannten wir uns erst einmal beim Bummeln durch die Hightechwelt in den Kaufhäusern. Der Schneesturm war vorüber, der Frühling kündigte sich an – wir fuhren in Richtung Sounkyo, dem eigentlichen Eiskletterzentrum Hokkaidos. Bei Temperaturen um die -10°C klettern wir einige Klassiker, sowie die eindrucksvolle Linie „Little Princess“. Verschiedenartig gestalteten sich die 200 Meter in der kleinen Prinzessin. Für die mit M8+, A1, WI5+ bewertete Route waren wir inklusive Fotografieren den ganzen Tag beschäftigt. Die Zeit verging wie im Flug, als Abschluss wollten wir noch die Spots an der Ostküste ansehen und auf einer Halbinsel nach Neuland suchen.

Der Frühling kommt – Zeit zum Gehen

Direkt am Meer kletterten wir an den Seacliffs von Abashiri, umgeben von einigen Seeadlern und Unmengen an Drifteis. Ein besonderer Platz, leider waren wir im März schon zu spät dran und konnten nur eine Route klettern. An der Halbinsel mussten wir den Erstbegehungsversuch des Furope-Wasserfalls leider auf Grund der Wärme - wenige Meter neben uns stürzte ein riesiges Eisdach herunter - abbrechen. Die Zeit für den Frühling war auch in Hokkaido gekommen, wir fuhren zurück nach Sapporo und schauten uns das ebenso konträre Nachtleben Japans an, bevor wir uns auf die lange Reise zurück nach Europa machten.

© 2020 Mag. Albert Leichtfried - Meteorologe - Bergführer - Extremkletterer
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