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Eisjagd rund um Narvik

Der Auslöser zu diesem Eisklettertrip in den Norden Norwegens war dieses Mal völlig anders als in all den Jahren zuvor. War es bisher eine Frage des Recherchierens und Auskundschaftens eines noch nicht als allgemein bekannt bezeichnenden Gebietes, so gab dieses Mal eine Einladung des Norwegischen Alpenklubs „Norsk Tindeklub“ zu einem Klettertreffen auf den Lofoten den zündenden Funken. Das Angebot mit einigen der derzeit besten Alpinisten, wie Marko Prezelj, Colin Haley, Aljaz Andere und vielen anderen zusammen nach neuen Linien zu suchen und dabei jeden Tag mit frischen Fisch versorgt zu werden, war verlockend groß. So verlockend, dass sich zu unserem dreiköpfigen Team auch noch Gerry Fiegl und Paul Mair anschlossen um gemeinsam auf die Jagd nach Eis zu gehen.

Eisiger Start in Lavangen

Bevor es zum großen Treffen auf die Lofoten ging, wollten wir einige Tage mit der Neulandsuche am Festland, östlich von Narvik verbringen. Das polare Norwegen begrüßte uns mit eisigen -20 °C. Direkt am Fjord hatten wir bei Tor-Erik Lind, einem findigen Bauern, der Eisklettern bereits als die Zukunft für den lokalen Wintertourismus entdeckte, eine perfekt gelegene Unterkunft gefunden um zu den verschiedenen Gebieten aufzubrechen. In unmittelbarer Nähe des Lavanganfjords gibt es ein bereits erschlossenes Eisklettergebiet mit unzähligen Möglichkeiten in allen Schwierigkeitsgraden. In Spansdalen kann es sogar passieren, dass man andere Eiskletterer trifft. Eine absolute Rarität im Norden Norwegens. Für den ersten Tag suchen wir uns ein nicht allzu entlegenes Ziel in Spansdalen, die Anreise steckt noch tief in den Knochen. Der kurz scheinende Zustieg entpuppt sich, wie gewohnt im Norden Norwegens, durch mühsame Spurarbeit als deutlich länger als vorhergesehen. Tor-Erik versicherte uns, dass es bis 18 Uhr hell sein sollte. Mit dem „Søylafoss“ WI6 haben wir ebenfalls länger zu tun als erwartet. Um 17 Uhr ist es dunkel. Tor-Erik hat wohl etwas übertrieben – bereits am ersten Tag finden unsere Stirnlampen beim Abstieg guten Gebrauch.

Frozen Bønes – ein Tag im Sturm

Mit Hilfe von Google Earth zeichneten wir die interessanten Täler und Wandfluchten in unsere Karten ein und gingen auf die Suche. Vor allem die Täler in Richtung Schweden  schienen äußerst interessant zu sein. Doch es war noch zu kalt für diese Täler, in denen es mindestens zehn Grad kälter ist als in den umliegenden Regionen. Wir suchten uns ein Ziel in der Sonne. Der bekannte und formschöne „Flågbekken“ WI5/6 in Salangen war bei -16 °C gerade richtig. Am nächsten Tag wollten wir in Bønes doch einen Schritt in Richtung Schweden wagen. Am Talboden hatte es -20°C und 80 km/h Wind – Eisklettern schien unmöglich. Doch die kalte Strömung floss nur am Talboden, am Einstieg war es windstill und bei -8 °C war der Weg frei für eine traumhafte 250 Meter lange Linie im Grad WI6 X/R. Für diese Route fiel mir nur der Name „Frozen Bønes“ ein. Der arme Hannes durfte am Talboden im Sturm mit dem Teleobjektiv auf uns warten und fror sich dabei die Nasenspitze etwas an. Gerry und Paul waren an diesem Tag nach Sordalen unterwegs, doch bei -37 °C und Sturm war die Umkehr ohne Diskussion verlaufen.

Big days in Sordalen

Das Wetter schwenkte, der Golfstrom gewann die Oberhand und aus den -37°C wurden innerhalb eines Tages +9°C am Fjord. Gerade richtig um in Sordalen aktiv zu werden. Nach unseren Erkundungen gab es einiges zu tun. Eine geniale Linie nach der anderen zieht bis zu 700 Meter lang über die steile Granitwand auf den Westhängen des Tales. Die Entscheidung wo man beginnen soll, fällt schwer. Innerhalb von den vier verbleibenden Tagen klettern wir was das Zeug hält. Benni und mir gelingen zwei absolute Highlights unserer Eiskletterkarriere. Mit den vollkommen clean gekletterten Routen „Stalker“ 700m WI6/M7, einer über 300 Meter senkrechten, kerzengeraden Linie in der Headwall und „remember Mi“ WI7-/M8, einer äußerst fragilen drei Seillängen-Mixedroute, die wir Michl Uhrmann widmen, klettern wir die Highlights des Trips. Gerry und Paul erhöhen die Routendichte mit den ästhetischen Linien „Reinkarnation“ WI5R und „Golden reward“ WI6/M7.

Lofoten

Wieder einmal bestimmte das Wetter über die Kletteraktivitäten auf den Lofoten. Bereits unsere Anreise nach Kabelvåg verzögerte sich durch einen Sturm um 8 Stunden. Bei 200 km/h Wind waren die Lofoten quasi von der Außenwelt abgeschnitten. Leider hatte strömender Regen über drei Tage und anhaltende Temperaturen über 0 °C die Eisverhältnisse an den auf der offenen See exponierten Inseln auf ein Minimum reduziert. Doch die Kletterer aus der ganzen Welt waren dennoch hoch motiviert. Die Strategie wurde auf Winterbergsteigen umgestellt und so erlebten wir auch noch ein paar interessante Klettertage auf den Inseln mit der besonders eindrucksvollen Stimmung.

© 2020 Mag. Albert Leichtfried - Meteorologe - Bergführer - Extremkletterer
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